Auslaufen des Spirit – Der Anfang von Ende der Zweiräder bei HP? (Besuch bei HP Velotechnik – Teil 2)

Das Wavey in der Modellversion um 2000 (Bild: HP Velotechnik)

Das Wavey in der Modellversion um 2000 (Bild: HP Velotechnik)

Wer sich die Internetseiten zur Produktentwicklung bei HP anschaut erkennt deutlich, dass sich vor 2005 bei den Einspurern von HP Velotechnik regelmäßig etwas verändert hat. Neue Modelle kamen … und gingen. Wer erinnert sich noch an das Wavey, das 1998 eingeführt wurde. Zum Modellwechsel 2015/2016 gibt es wieder einen Abgang: Das Spirit läuft aus.

Das Modell wurden 2009 zuletzt kräftig überarbeitet und dabei vorne und hinten auf gleichgroße 20 Zoll-Räder gestellt. Obwohl ich auf meinen Liegerädern eher eine aufrechte Sitzposition bevorzuge, haben mich Sesselräder nicht überzeugt. Das liegt vermutlich daran, dass ich die Untenlenkung bevorzuge, denn damit stellt sich das Fernsehsessel-Gefühl am besten ein. Trotzdem wollte ich von Alexander Kraft wissen, warum das Rad von HP aus dem Programm genommen wurde.

Zuerst räumte er mit meiner Vermutung auf, dass das Spirit als „Einsteigermodell“ gedacht war. Auf Grund der Fahrposition zeigte er auf, dass das Spirit als Stadtfahrrad gedacht war. Es ist HP auch nicht leicht gefallen, das Spirit aus dem Programm zu nehmen, da das Urbane Radfahren immer mehr zum Trend wird. Allerdings hat sich das nicht im notwendigen Maß in den Verkaufszahlen des Spirit niedergeschlagen. Es gibt zwar eine treue Anhängerschaft … aber die – so meine Interpretation – freut sich an der Langlebigkeit der Produkte und bestellt nur wenige neue Räder.

Spirit in der Modellversion vor 2009 mit kleinem Vorderrad (Bild: HP Velotechnik)

Spirit in der Modellversion vor 2009 mit kleinem Vorderrad (Bild: HP Velotechnik)

An dem Beispiel konnte mir Alexander Kraft verdeutlichen, wie aufwändig alleine die Bereithaltung der unterschiedlichen Komponenten des im Rahmen des Baukastensystems ist. Da das Spirit dabei auch eine Reihe von Spezialteilen enthält, die in den anderen Rädern nicht vorkommen, bedeutet dies, dass hier erhebliche Kosten für die Lagerung speziell für dieses Modell anfallen. Das Problem besteht dabei aber nicht nur bei HP selber sondern auch bei den Händler, die eben noch ein Rad mehr im Sortiment haben müssten. Auch hier geht es natürlich nicht nur um die Kosten für Lagerhaltung im engen Sinn sondern auch um Kapitalkosten.

Da sich diese Kosten nicht auf das Modell alleine umlegen lassen, ohne die kleinen Stückzahlen durch einen höheren Verkaufspreis noch weiter zu senken, würde sich so ein einzelnes Modell auf die Kalkulation der gesamten Produktpalette auswirken. Ich hätte auch keine gute Antwort, warum der Verkauf der anderen Räder das Spirit subventionieren soll. Die Pläne liegen jetzt „in der Schublade“ – falls es in eine entsprechende Nachfrage geben sollte, kann die Produktion theoretisch wieder aufgenommen werden.

Die gute Nachricht für alle Besitzerinnen und Besitzer des Spirit ist, dass HP für Garantiefälle noch Teile und insbesondere Rahmen vorrätig hat – auch hier steht HP zu seiner 10-Jahres-Garantie auf den Rahmen.

Am Beispiel des Spirit sind wir den üblichen Weg zu einem neuen Modell durchgegangen. Damit ein neues Modell auf der Eurobike vorgestellt werden kann, müssen zwei Jahre vorher die strategischen Weichen gestellt werden. Dann beginnt die Entwicklungsphase mit der Konstruktion, die mit dem Bau eines Prototypen in Kriftel abgeschlossen wird. Dann gilt es, die Feinheiten zu klären. So müssen beispielsweise Ausstattungsvarianten festgelegt, Preise kalkuliert und das Marketing vorbereitet werden. Dazu gehört unter anderem ein Fotoshooting für das sogar ein Fotostudio zur Verfügung steht. Am Vorserienmodell werden dann Qualitätstest durchgeführt und der gesamte Fertigungsprozess durchgeplant. Erst dann kann das Vorserienmodell auf der Eurobike vorgestellt werden – und dann beginnt im November mit dem neuen Katalog auch die Serienfertigung. Mir wurde deutlich, wo überall die Fallstricke liegen und welche Tragweite die Entscheidung für oder gegen eine neues Modell bzw. eine neue Modellvariante hat.

Eine ganz schwierige Aufgabe ist die Prognose des Absatzes – und zwar in den unterschiedlichen Ausstattungen. Auf dieser Basis müssen die zentralen zugelieferten Teile – und dazu gehören auch die in Taiwan gefertigten Rahmen – bestellt werden. Bei den Rahmen muss darüber hinaus auch noch je Modell die Standardfarbe festgelegt werden. Liegt die Prognose falsch, kommt es entweder zu langen Wartezeiten, bis die notwendigen Teile wieder da sind, oder aber zu Überbeständen. Gerade bei hochpreisigen Zubehörteilen wie der Rohloff-Schaltung mit den unterschiedlichen Farbvarianten sind das Entscheidungen, die schnell auch Kapital binden.

Vor diesem Hintergrund ist für mich die Entscheidung verständlich, das Spirit aus dem Programm zu nehmen. Klar wird meiner Meinung nach auch, warum es gute Gründe geben muss, um ein neues Modell in das Programm zu nehmen bzw. grundlegende Änderungen an den Modellen umzusetzen.

Die Zweiradecke am HP Velotechnikstand (Bild: Klaus Dapp)

Die Zweiradecke am HP Velotechnikstand (Bild: Klaus Dapp)

4 Gedanken zu „Auslaufen des Spirit – Der Anfang von Ende der Zweiräder bei HP? (Besuch bei HP Velotechnik – Teil 2)

  1. Eduard J. Belser

    Ein äusserst aufschlussreicher Beitrag. Wir Kunden sind vielleicht manchmal etwas allzu ungeduldig mit HP Velotechnik.

    Ich habe mehr als zwei Jahre darauf hingewiesen, dassdie Transportröllchen am Gekko fx für den Transport in gefaltetem Zustand zu klein sind und zu eng zusammenliegen. Schliesslich habe ich bewiesen, dass es mit deutlich grösseren Inlineskaterrollen, längeren Schrauben und Distanzhülsen möglich ist, das Problem ohne aufwändige Änderungen an Rahmen und Sitz zu beheben. Daraufhin hat HP Velotechnik meine Idee in die Serie übernommen und optisch noch perfektioniert.

    Nach dem Erscheinen der Pinion C1.18 Tretlagerschaltung habe ich als eingeschworener Feind von klapprigen, nicht im Stand schaltbaren Kettenschaltungen HP-Velotechnik beackert diese einzubauen, da sie sich mit Radnabenmotoren kombinieren lässt, wartungsfrei gekapselt ist und im Stand schalten lässt. Vor einem Jahr habe ich meinen 2011 gekauften Gekko mit einem GoSwiss Drive Antrieb nachgerüstet und dabei auf meine heiss geliebte, stufenlose NuVinci N 360 Nabenschaltung verzichtet.

    Entsprechen elektrisiert war ich als zur EuroBike 2017 die Pinion C1.12 als Option für alle HP Velotechnik Räder ankündigte. Leider war es mir nicht möglich, die EuroBike zu besuchen und meine Wunschschaltung zu testen.

    Letzte Woche könnte meine geniale Velomechanikerin Bea vom Radhaus in Freiburg bei HP Velotechnik einen Scorpion fx mit GoSwiss Drive und Pinion-Schaltung organisieren und ich habe das schöne, warme Wetter am Mittwoch für eine ausgiebige Probefahrt in und in die Hügel um Freiburg genutzt. HP Velotechnik hat die Pinion-Schaltung perfekt in einen neu konstruierten, verstärkten Tretlagerausleger integriert und mit einer neuen optimierten Kettenführung mit Kettenspanner ergänzt. Das Ganze ist ein ästhetischer und velotechnischer Leckerbissen erster Klasse geworden. Der GoSwiss Drive und die Pinion-Schaltung harmonieren perfekt und meine hohen Ansprüche an Steigfähigkeit am Berg und Geschwindigkeit in der Ebene mit nur minimalsten Abstrichen erfüllt.

    Ich habe am Nachmittag den Scorpion zurückgebracht und beschlossen meine Gekko nachrüsten zu lassen. Die Super-Arbeit von HP Velotechnik muss belohnt werden. Am Donnerstag hat Bea das Material bestellt und ich habe es angezahlt. Bei den ersten wärmeren Frühlingstage werde ich den Gekko vom Schweizer Jurasüdfuss über Basel nach Freiburg fahren, mit der Pinion-Schaltung ausrüsten lassen und wieder zurückfahren. Ich freue mich bereits riesig.

    Mit besten Grüssen aus der Schweiz
    Eduard J. Belser

    1. admin Beitragsautor

      Die Vorbehalte gegen „Klapperschaltungen“ kann ich bestens verstehen. Ich bin auf den Frühling und einen Bericht über das neue Gekko gespannt.
      Viele Grüße in die Schweiz
      Klaus

      P.S. Sorry – ich wurde mit 13.000 Fake-Kommentaren bombardiert… die musste ich erst mühsam löschen

  2. Maria Jeanne

    Danke für diesen aufschlussreichen Bericht.
    Als ich zur Liegeradlerin wurde, musste ich mich zwischen Spirit und Grasshopper entscheiden.
    Mir gefiel das Fahrgefühl des Spirits eigentlich besser, aber ich wollte etwas flotter unterwegs sein, da meine Strecke zur Arbeit lange war.

    Es ist wirklich sehr schade, dass die Produktion eingestellt wurde, aber völlig nachvollziehbar.
    Ich denke manchmal heute noch an das Fahrvergnügen, das ich auf dem Spirit hatte.

    1. admin Beitragsautor

      Hallo Maria Jeanne,

      da hast Du ja einen alten Artikel ausgegraben 😉 Und ich habe schon überlegt, ob ich mal was lösche. Ich muss ehrlich zugeben, dass ich das Spirit nie ernsthaft gefahren bin. Das liegt vor allem daran, dass ich ein großer „Untenlenker“-Fan bin. Wenn ich mal auf einem Sessel oder einem Sofa sitze, habe ich die Hände ja auch nicht oben.

      Viele Grüße

      Klaus

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