Woher kommt der Trend weg vom einspurigen Liegerad? (Besuch bei HP Velotechnik – Teil 3)

Alexander Kraft, Pressesprecher von HP Velotechnik (Bild: Klaus Dapp)

Alexander Kraft, Pressesprecher von HP Velotechnik (Bild: Klaus Dapp)

Eigentlich wollte ich mit Alexander Kraft über meine Hypothese reden, dass der Trend weg vom Liegezweirad hin zum Liegedreirad geht und was die Gründe dafür sind. Doch die Diskussion verlief anders als von mir gedacht. Zwar kennt auch HP die Hintergründe der Kaufentscheidungen gegen Liegezweiräder nicht, aber auch dort werden natürlich Vermutungen angestellt. Eine Theorie ist, dass die Vorteile der Liegezweiräder, komfortabel und vergleichsweise schnell voranzukommen, inzwischen auch durch E-Bikes gegeben sind. Diese gibt es von zahlreichen Herstellern und in großer Bandbreite, so dass viele Wünsche abgedeckt werden können.

Einen weiteren Aspekt sieht HP in der stetig wachsenden Diversifizierung des Fahrradmarktes. Es gibt kaum noch eine Nische, für die es kein Spezialangebot gibt. Damit steigt die Konkurrenz für Liegezweiräder. Eine weitere Konkurrenz ist die wachsende Velomobilszene, die verstärkt Serienprodukte bereithält. In diesem Bereich will HP explizit nicht tätig werden.

Martin Wöllner in seinem Velomobil (Bild: Hanno Hirsch)

Martin Wöllner in seinem Velomobil (Bild: Hanno Hirsch)

Im Velomobilbau ist viel Knowhow vorhanden. So hat Martin Wöllner, der bei HP Räder entwickelt, auch ein eigenes Velomobil gebaut. Der Aufwand für den Aufbau einer Serienfertigung ist jedoch immens und dabei sind dann auch die weitgreifenden rechtlichen Regelungen bis hin zur Produkthaftung zu beachten. Und zum Schluss müssten dann auch noch bezahlbare Preise dabei rauskommen. Anders als beim „Konstruktiven Individual-Nahverkehrsfahrzeug der Zukunft“, das Paul Hollants und Daniel Pulvermüller während ihrer Studienzeit nach eigenen Angaben als „Ingenieur-Nachwuchswettbewerbs-Siegerfahrzeug“ gebaut haben, dessen Charakteristik die beiden als „Maximale Überzeugungskraft auf allen Wettbewerben, Fahrspaß in Fernsehstudios und Überzeugende Vollverkleidung auch bei Foto-Shooting“ beschreiben und den Preis als „jenseits der Vorstellungskraft“ einstufen.

„Konstruktives Individual-Nahverkehrsfahrzeug der Zukunft“ von Paul Hollants und Daniel Pulvermüller (Bild: Klaus Dapp)

„Konstruktives Individual-Nahverkehrsfahrzeug der Zukunft“ von Paul Hollants und Daniel Pulvermüller (Bild: Klaus Dapp)

Ein weiterer Faktor, der den Trend weg vom Liegezweirad unterstützt, ist die Berichterstattung und öffentliche Wahrnehmung. Während Liegezweiräder nicht mehr so spektakulär sind, wird in den Fachmagazinen gerne über Liegedreiräder berichtet. Da HP keine neuen Modelle vorstellt, wird darüber auch nicht berichtet. Eine Ausnahme ist in dieser Hinsicht aus meiner Wahrnehmung das Stufentandem Pino von Hase. Mit der Cargo-Option und dem „Ersatz-Familienkutsche“-Image ist hier auch außerhalb der Fachmagazine eine gewisse Resonanz erzielt worden.

Meine These, dass der demographische Wandel auch in der Liegeradszene zu spüren ist und mit zunehmendem Alter eher auf Dreiräder umgestiegen wird, konnte Alexander Kraft nicht bestätigen. Klar ist aber, dass gerade der Reha-Bereich der Dreiräder ganz andere Kundengruppen anspricht. Insgesamt machen die neuen Kundengruppen die Zuwächse der letzten Jahre aus. So stieg die Gesamtzahl der produzierten Räder von ca. 600 im Jahr 2006 auf ca. 2000 im Jahr 2015.

Ein großer Vorteil der Liegedreiräder ist sicher auch die einfache Nutzung. So hatte auch schon der hessische Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir viel Spaß auf einem Liegedreirad von HP.

Hessischer Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung Tarek Al-Wazir auf einem E-unterstützen Scorpion Enduro (Bild: Horst Schneider)

Hessischer Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung Tarek Al-Wazir auf einem E-unterstützen Scorpion Enduro (Bild: Horst Schneider)