Archiv für den Monat: August 2014

Eurobike 2014

Der Unterschied zur SPEZI ist schon enorm. Die Stände sind geschniegelt und bei den Modeschauen zeigen durchtrainierte hochsportliche Menschen Kleidungsstücke, in denen mindestens 75 Prozent der Radfahrenden eher wie eine Presswurst aussehen. Die Fahrräder werden eher wie Autos präsentiert … es ist halt vor allem eine Verkaufsmesse für den Handel.

Ebenso wie bei der Spezi standen auch hier E-Bikes im Mittelpunkt. Was da teilweise zusammengenagelt wird, ist schon erstaunlich. Da werden brutal schwere Rahmen so gestaltet, dass durch eine vollständig aufrechte Sitzhaltung auch die Windwiderstand maximal ist … und um den Preis zu drücken, werden dann Felgenbremsen hingeschraubt, so dass abzusehen ist, dass die Felgen schnell durchgebremst sind. Dann gibt es noch die Kombination aus Ultra-Leichtbau und kiloschweren Akkus, die mich auch nicht überzeugten. Aber es gab auch ein paar vernünftige Konzepte … da werde ich wohl in ein paar Jahren darüber nachdenken müssen. Blöd nur, dass es nicht gelungen ist, mit der Hausgemeinschaft ebenerdige vernünftige Fahrradabstellmöglichkeiten zu schaffen.

Zurück zur Messe: Ich kam mir mit meinen Wanderstiefeln und meiner mit Hosenträgern festgehaltenen Wanderhose teilweise schon etwas deplatziert vor. Aber das war natürlich auch ein guter Test, ob Hersteller an ihren, wenn auch teilweise etwas merkwürdigen, Kunden interessiert sind. Und die Unterschiede waren schon erstaunlich. Wirklich gut behandelt wurde ich bei Haase (Liegeräder), Deuter (Taschen) und HP-Velotechnik. Bei HP-Velotechnik habe ich mir noch einmal die Unterschiede und Anwendungszwecke der einzelnen Liege- und Liegedreiradlinien erklären lassen. Das war noch einmal sehr hilfreich, um meine Gedanken nach der Testfahrt mit dem E-Scorpion und in den Tagen danach etwas zu sortieren. Und ich habe mir noch einmal kritisch die einspurigen Liegeräder angeschaut.

Nun hatte ich noch mehr zu denken … welch ein Luxusproblem: Sollte ich im Zuge der Nachhaltigkeit doch das Ostrad sanieren (lassen) oder doch ein Neues kaufen. Nach einigen Stunden gucken, reden und über polierte Fahrradrahmen streicheln bin ich dann noch kurz zum Testparcours für Liegeräder des HPV Vereins gegangen. Eigentlich wollte ich nur schauen … aber dann war gerade Nichts los und schon saß ich auf einer Streetmachine. Wanderstiefel sind wohl das ungünstigste Schuhwerk, um Liegeräder zu fahren, da die Füße ja auf den Pedalen gehalten werden müssen. Das ist mit schweren Wanderstiefeln eine echte Herausforderung. Zur gegenprobe bin ich dann noch eine Runde auf den Grasshopper gestiegen. Eigentlich wollte ich nur schauen, wie groß der Unterschied zwischen Streetmachine und Ostrad wohl ist – da musste ich feststellen, dass der Unterschied zwischen Grasshopper und Ostrad doch deutlicher ist, als ich mir das so gedacht habe. Obwohl die Unterschiede bei Radstand und Sitzhöhe nicht so groß sind, fuhr sich der Grasshopper trotz Wanderschuhen deutlich direkter. Besonders hat mir der Bodylink Schalensitz gefallen. Dadurch dass im Gegensatz zum Netzsitz wie beim Ostrad nur der Bereich der Wirbelsäule aufliegt, ist der Schwitzbereich eben auch auf diesen Bereich beschränkt und der restliche Rücken kann „abdampfen“. Außerdem kann das linke Knie nicht in Kontakt zur Lenkung kommen, da diese beim Grasshopper seitlich an die Gabel übertragen wird und nicht wie beim Ostrad oben an der Gabel. Das bedeutet allerdings auch, dass etliche Teile am Grasshopper Spezialteile sind. Und eigentlich bin ich ein Freund von Standardteilen, die sich einfach wieder beschaffen lassen.

Was hat Dich denn gestochen?

so ähnlich müssen wohl etliche Menschen in meinem Umfeld gedacht haben, als ich begeistert von meinen Urlaubsplänen erzählt habe: Mit einem Leihrad im hessischen Ried rumfahren. Das hessische Ried ist eine insbesondere in den 1930er Jahren urbar gemachte Auenlandschaft des Rhein, die sich vor allem durch eine intensive Landwirtschaft mit weitgehend ausgeräumter Landschaft und Straßendörfer auszeichnet.

Aber es gibt in Trebur mit Fahrrad Claus einen Fahrradhändler, der sich auf Spezialräder und (eher) hochwertige E-Bikes spezialisiert hat – soweit das im ländlichen Raum möglich ist. Und es war zu der Zeit der einzige Händler, bei dem ich einen Scorpion ausleihen konnte.

Warum sollte es ein Scorpion sein? Die Frage ist eigentlich durch die Beschreibung von Michael Kausch hinreichend beantwortet. Aber auch Tobias Haase und Maria Jeanne Dompierre beschreiben auf ihren Blogs eindrücklich, wie klasse das Fahren auf einem Scorpion ist.

Meine Erwartungen waren dementsprechend sehr hoch. Und sie wurden auch in weiten Bereichen erfüllt. Die Straßenlage des Scorpions ist klasse und die schnelle E-Unterstützung ist beeindruckend. Das ist kein Rückenwind, das ist mehr. Schon der Start in Trebur hat viel Spaß gemacht. Ich bin dann erst einmal zum Eingewöhnen über breite asphaltierte Wege gesaust – wenn ich jetzt schreiben würde, dass das Radwege gewesen wären, wäre das eine Ordnungswidrigkeit. Ich frage mich wirklich, warum die Regelung aufgehoben wurde, dass schnelle E-Bikes außerorts Radwege benutzen dürfen … und dazu sind auch alle land- und forstwirtschaftlichen Wege verboten, da eine E-Unterstützung mit mehr als 25 km/h das Fahrrad zu einem Kraftfahrzeug macht.

Überrascht und begeistert war ich davon, wie schnell ich in der Ebene ohne E-Unterstützung vorankomme. Da war schnell klar – entweder ein schnelles E-Bike … oder Keines. Denn es macht wenig Sinn, sein Rad doch etliche Kilogramm schwerer zu machen, um sich von 20 (oder mehr) auf 25 km/h schieben zu lassen.

Nach einigem probieren auf einfachen Strecken, habe ich mich dann an schwierigeres Terrain herangemacht… und bin freudig über Kopfsteinpflaster und ähnliche Beläge gerauscht. Es ist erstaunlich, was das Fahrwerk alles abfängt.

In der Stadt war die 45 km/h Unterstützung klasse. Da die Nutzung der Radwege einerseits verboten ist aber diese auch in weiten Teilen viel zu schmal sind, um darauf sicher mit einem Liegedreirad zu fahren, bin ich einfach gut sichtbar auf der Straße gefahren. Und die bösen Blicke mancher Automobilisten, nach dem Motto „warum bremst der mich denn da“ wichen regelmäßig offenen Mündern, wenn ich nach einer Rotphase durchstartete. Die Beschleunigung war auch für mich manchmal ein wenig überraschend …

Am Abend des ersten Tages kam ich dann ziemlich fertig heim. Vor lauter Begeisterung über den Scorpion und seine Fahreigenschaften habe ich leider viel zu wenig getrunken. Darauf führe ich zumindest die Kopfschmerzen zurück, die mich auf einmal plagten. Leider meldete sich aber auch mein Schleudertrauma zurück, dessen Ursache inzwischen 15 Jahre zurücklag. Das ich aber mit einem Sturz mit dem Birdy bei Blitzeis wieder aufgefrischt hatte.

Für den zweiten Tag habe mir dann vorgenommen, etwas kürzer zu treten … das habe ich dann auch gemacht, denn ich musste den Scorpion ja auch im guten Zustand zurückgeben. Ich hatte mir vorgenommen, doch noch die Geländetauglichkeit ein wenig zu testen. Einige Sträßchen rund um Darmstadt sind in so einem schlechten Zustand, dass ein einfacher Waldweg vermutlich eine geringere Anforderung an die Federung gestellt hätte.

Kurz vor Trebur habe ich dann noch eine kleine Putzpause gemacht und an diesem Tag auch viel getrunken. Es war dann schon eine ziemlich wehmütige Heimfahrt mit dem Birdy.

Drei Gedanken trieben mich um:

  • soll es tatsächlich ein Liegedreirad werden
  • soll es eine E-Unterstützung geben
  • sollte ich nicht doch lieber das Ostrad wieder aufpolieren.

Mit diesen Gedanken ging ich dann zwei Wochen Wandern … um ab und an von Liegerädern zu träumen.